Konsequenzen im Hinblick auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit

Der Trend zur Liberalisierung von Dienstleistungen birgt Gefahren für die städtische Umwelt- und Lebensqualität. Die WUA setzt sich für Strategien im Sinne von Bürgernähe und Nachhaltigkeit ein.

Neue Rahmenbedingungen und Diskussionen
Was soll Abfallwirtschaft für wen und mit welchen Zielen leisten?
Können Bürger- und Umweltziele in einer liberalisierten Abfallwirtschaft ebenso gut erreicht werden, wie in einer kommunal organisierten – besser oder schlechter?
Was braucht die kommunale Abfallwirtschaft in den nächsten Jahren?

Neue Rahmenbedingungen und Diskussionen

Im Gegensatz zu anderen Feldern der Kommunalwirtschaft, in denen Liberalisierung eine zukünftige Bedrohung darstellt, sind weite Felder der Abfallwirtschaft auch in Österreich und Deutschland bereits liberalisiert. Prominentes Beispiel ist der Verpackungsabfall, bei dem in Österreich mit Hilfe von freiwilligen Vereinbarungen – unter hohen Kosten – faktisch keine ökologischen Lenkungswirkungen erzeugt werden können. (So entwickelt sich der Anteil an Mehrweggetränkeverpackungen in den letzten Jahren gegen Null).

Betrachtet man die Entwicklungen in der EU und im Rahmen der WTO – im Besonderen des GATS (General Agreement on Trade in Services) – entwickeln sich die Rahmenbedingungen weltweit und in Europa jedenfalls gegen die kommunale Abfallwirtschaft und für die Liberalisierung. Ziele des GATS sind die Liberalisierung des Dienstleistungssektors weltweit, die Öffnung der nationalen Märkte und der Rückzug der Staaten aus Regulierung und erst Recht als Dienstleister. Öffentliche Dienstleistungen sind nur ausgenommen, wenn sie nicht kommerziell orientiert sind, nicht im Wettbewerb stehen und im Rahmen staatlicher Zuständigkeit und in Ausübung hoheitlicher Rechte geschehen.

Auch auf EU-Ebene gab es vielfach Bekenntnisse zur Liberalisierung der Abfallwirtschaft. Der Bericht zum Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse postuliert, dass

  • die weitere Liberalisierung der Abfallwirtschaft vorangetrieben werden muss
  • die Entsorgungssicherheit und ökologisch sichere Verwertung auch ohne Andienungs- und Überlassungspflichten durch Setzen eines marktwirtschaftlichen Rahmens zu sichern ist
  • diese Initiativen so bald wie möglich zu ergreifen sind

Dennoch enthält das Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse vom 12. Mai 2004 gegenüber dem Grünbuch einiges an Erkenntnissen bezüglich der Qualität der Dienstleistung (DL) für Bürger und Umwelt. Betont werden:

  • Nachhaltige Entwicklung
  • Zusammenhang von DL von allgemeinem Interesse und Umweltschutz in den Feldern Wasser und Abfallwirtschaft
  • Hochwertige Dienste von allgemeinem Interesse, zu erschwinglichen Kosten, zu denen jeder Bürger und jedes Unternehmen Zugang hat 

Was soll Abfallwirtschaft für wen und mit welchen Zielen leisten? 

Diese Hauptfrage droht in der Diskussion um den Markt unterzugehen. Auch wenn Bürger und Umwelt letztlich im Weißbuch Erwähnung finden steht fest, dass die Frage nach der Qualität der Leistung für den Bürger in der Diskussion viel zu wenig beachtet wird. Aus der Sicht des Bürgers und Konsumenten muss die Abfallwirtschaft jedenfalls flächendeckend, entsorgungssicher, sozial ausgewogen, demokratisch und sachlich kontrolliert – und daher umweltfreundlich und gesetzeskonform ablaufen.

Umweltschutz und Nachhaltigkeit setzen zusätzliche Maßstäbe, die sich an den Prinzipien der Vorsorge und Vermeidung orientieren. Ressourcenverbrauch und Abfallmengen müssen vom Wirtschaftswachstum abgekoppelt werden. Qualitative und quantitative Abfallvermeidung, Kompostwirtschaft, Stoffstrommanagement, Energetische und stoffliche Verwertung, Vermeidung von Treibhausgasen, Inertisierung vor Entsorgung von Restmüll erfordert klare Verantwortlichkeiten, langfristige Planungen und Investitionen. Voraussetzung dafür sind jedenfalls Anschlusszwang und Andienungspflicht, die aus sanitären Gründen und zur Sicherung der Entsorgung geschaffen wurden.

Können Bürger- und Umweltziele in einer liberalisierten Abfallwirtschaft ebenso gut erreicht werden, wie in einer kommunal organiserten - besser oder schlechter? 

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zunächst wissen, ob diese Leistungen für Bürger und Umwelt durch die kommunale Abfallwirtschaft erreicht werden. Diese Frage ist für Wien und viele andere Städte mit ja zu beantworten:

  • Für Kosten, die einer SMS am Tag je Bürger entsprechen, werden zusätzlich zu den genannten "großen" Aufgaben viele bewusstseinsbildende und bürgernahe Maßnahmen getragen, die wesentlich zu abfallwirtschaftlichen Zielen aber auch zum Stadtbild und zur Lebensqualität im Allgemeinen beitragen (Winterdienst, Straßenreinigung, "Mistplätze", Problemstoffsammlung, Kampagnen für Abfallvermeidung)
  • Bürgerbefragungen zeigen, dass vollständige Zufriedenheit mit dem Wiener kommunalen System der Abfallentsorgung besteht.

Der zweite Fragenkomplex, der viel zu selten gestellt wird, ist:

Welche Liberalisierungen waren erfolgreich, und was haben die Bürger (Verbraucher) und die Umwelt davon?

Die Erfahrungen aus bereits erfolgten Liberalisierungen werden zu wenig verwertet. Bei Post- und Energiemarktliberalisierung, Liberalisierung des öffentlichen Personenverkehrs aber auch zum Beispiel bei Wasserliberalisierungen, haben sich folgende Gesetzmäßigkeiten gezeigt:

  • Die Leistungen werden für Verbraucher teurer und ausgedünnt
  • (Private) Oligopole entstehen, Höhe von Investition fraglich (befristete Verträge, Auslastung)
  • Verwaltungsaufwand für Regulierungsbehörden, Kontrollorgane und Ausschreibungsspezialisten entsteht
  • Es besteht die Gefahr des "Rosinenpickens" bezüglich der Geschäftsfelder oder der Versorgungsgebiete.
  • Durch Aufgabe kommunaler Leistungen besteht zusätzlich die Gefahr des Know-how-Verlusts bei bestehender Verantwortung, sodass die Leistung nicht so leicht wieder übernommen werden kann, wenn das Unternehmen den Anforderungen nicht entspricht oder der Markt versagt.

Die einzige wirklich erfolgreiche Liberalisierung geschah im Telekommarkt, wobei der Erfolg sicherlich in der Einführung neuer Produkte und im damit verbundenen hohen Wachstum begründet liegt.
Ein wachsender Markt ist bei Abfall sicherlich nicht anzunehmen, wurden doch die Abfallmengen für die in den 1980er-Jahren errichteten Abfallverbrennungsanlagen oft überschätzt. Abfallwirtschaft erfordert langfristige Planung und Investition, während liberalisierte Märkte von Flexibilität und Wachstum leben. Dieser Grundkonflikt lässt den Schluss zu, dass Abfallwirtschaft nur sehr beschränkt bis gar nicht für Liberalisierung geeignet ist und der Ruf nach Markt durch die Realwelt nicht zu bestätigen ist. Maß soll daher die effizienteste und effektivste Zielerreichung im Sinne von Bürger und Umwelt sein.

Was braucht die kommunale Abfallwirtschaft in den nächsten Jahren?

Nach der wohl eindeutigen Beantwortung der Frage, ob Städte weiterhin eine kommunale Abfallwirtschaft brauchen, müssen nun die Rahmenbedingungen abgesteckt werden damit sie Zukunft hat.
Die wichtigsten sind:

  • Anschlusszwang und Andienungspflicht sind Voraussetzung für gezielten Ressourceneinsatz und langfristige Planung und müssen daher aufrecht bleiben
  • Die Berichte zu erfolgten Liberalisierungen müssen eingefordert und der Verbraucher- und Bürgeraspekt wirklich berücksichtigt werden
  • Die Rolle der kommunalen Abfallwirtschaft als Arbeitgeber ist wichtig

Im Sinne von Umweltschutz und Nachhaltigkeit müssen Städte und Gemeinden weiterhin

  • eigenes Know-how einsetzen
  • Leistungen hoher Qualität und Sicherheit bürgernah erbringen
  • neben Vermeidungs-, Vorsorge- und Verursacherprinzip muss auf strikte Regeln für die Einhaltung des Näheprinzips, vor allem vor dem Hintergrund der erfolgten EU-Erweiterung, geachtet werden
  • Absichtserklärungen, wie die Zielbestimmungen für Abfall im 6. Umweltaktionsprogramm, müssen umgesetzt werden

Zusätzlich müssen die Kommunen ihre Lobbying- und Networking-Aktivitäten strategisch ausbauen und Widersprüche zu Gemeindeautonomie und Subsidiarität aufzeigen. Die Entscheidung wie kommunale Verantwortung wahrgenommen wird und damit die zentrale Steuerung von Qualität und Ressourceneinsatz, muss bei der Kommune bleiben.

Weitere Informationen:
Argumentarium gegen die Liberalisierung der Abfallwirtschaft  (1,5-MB-RTF) – März 2006
Argumentarium gegen die Liberalisierung des Wassersektors 
Eropäische Angelegenheiten - MA 27

 

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