Beitragsseiten

Leistungserhöhung im KKW Paks abgeschlossen (12/2009)

Allgemeines 

Das Kernkraftwerk Paks ist das einzige in Ungarn und befindet sich etwa 100 Kilometer südlich von Budapest an der Donau.

Die Betreibergesellschaft wurde 1976 gegründet. Zwischen August 1983 und November 1987 gingen vier Druckwasserreaktoren sowjetischer Bauart (WWER-440/213) mit einer Leistung von zusammen 1700 MW ans Netz, später erfolgten Leistungserhöhungen auf insgesamt 1855 MW (Stand 2007). Je zwei Blöcke sind, wie bei diesem Reaktortyp üblich, als Zwillingsanlagen mit einem gemeinsamen Reaktorgebäude und gemeinsam genutzten Zusatzsystemen errichtet. Die bestehenden Blöcke entsprechen den Anlagen in Dukovany(Tschechien) und Mochovce (Slowakei). Weitere zwei Reaktorblöcke vom Typ WWER-1000/320 (Temelin-Typ) waren geplant, wurden aber 1989 von der ungarischen Regierung wegen der ungewissen Zukunft der Sowjetunion auf Eis gelegt. Sie werden aber seit 2007 als Zukunftsoption wieder diskutiert. Ungefähr 40 Prozent des in Ungarn erzeugten Stroms werden im KKW Paks hergestellt. Seit 1988 wurden dort jährlich etwa 13 TWh Strom produziert.

Die Anlage erfüllte als eine der ersten Kraftwerke des Ostblocks die gültigen internationalen Sicherheitsnormen. Ein neu entwickeltes Sicherheitsregime wird zur Zeit implementiert.

Im Jahre 1994 wurde eine Neustrukturierung des Personaltrainings am Standort vorgenommen, wobei auch ein Großsimulator zur Einschulung installiert wurde. Mit Unterstützung der IAEA wurden weltweit einzigartige Trainingsbedingungen geschaffen, so stehen rekonstruierte Anlagenteile wie Dampfgeneratoren, Hauptkühlmittelpumpen und Ventile zu Übungszwecken zur Verfügung. Gegenwärtig wird das KKW Paks durch die staatseigene ungarische Gesellschaft "Paks Nuclear Power Plant Ltd." betrieben.


Wichtige Zahlen im Überblick

 ReaktortypLeistung (MW elektrisch)FertigstellungVoraussichtlicher
Betrieb bis
Block 1 Druckwasserreaktor WWER-440/213 4701 (5002) 1982 2032
Block 2 Druckwasserreaktor WWER-440/213 4731 (5002) 1984 2034
Block 3 Druckwasserreaktor WWER-440/213 4731 (5002) 1986 2036
Block 4 Druckwasserreaktor WWER-440/213 4731 (5002) 1987 2037

1Nettoleistung: Netzeinspeisung nach Abzug des Eigenverbrauchs der Anlage
2Bruttoleistung: Inklusive der für den Betrieb notwendigen Leistung

  • Entfernung von Wien (Luftlinie): Zirka 300 Kilometer
  • Anteil der Stromerzeugung aus Kernenergie: 39,9 Prozent
  • Jahresstromproduktion: 12,5 TWh
  • Energieerzeugung seit Inbetriebnahme: 273,8 TWh (Juli 2007)

Bisherige schwere Stör- und Zwischenfälle

Die Technologie der vier Reaktorblöcke von Paks wurde in den 1960-er Jahren entwickelt und in den 1980-er Jahren baulich umgesetzt. Sie entspricht damit auch im Hinblick auf die Sicherheitsphilosophie nicht modernen Anforderungen. Dies spiegelt sich in der Auslegung wesentlicher Systeme wider. Bestimmte Konstruktionsmängel des nicht mehr zeitgemäßen Reaktors WWER-440/213 schlagen sich in typischen Störfällen nieder. 

  • 18.7.1991: Ein Leck mit Dampfaustritt führte zu einer Schnellabschaltung von Block 1.
  • 15.9.1993: Die Temperatur des Kühlwassers stieg im Reaktor 2 zu stark an.
  • 14.7.1994: Zehnstündiger Ausfall einer Pumpe im Reaktor 4 (INES 1).
  • 10.4.2003: Bei der Reinigung von Brennelementen entweichen radioaktive Gase (INES 3). Bei dem Vorfall wurden 30 Brennelemente schwer beschädigt. Die umfangreichen Aufräumungsarbeiten konnten erst 2007 abgeschlossen werden. Dies war der größte Störfall in dieser Region seit Tschernobyl.
  • 20.1.2005: Nach ungarischen Medienberichten brach im KKW Paks ein Brand aus. Obwohl das Feuer die Sicherheit des KKW nicht gefährdet haben soll, wurde von Seiten des Katastrophenschutzes die höchste Alarmstufe 5 angeordnet.
     

Kritikpunkte und Position der Wiener Umweltanwaltschaft

Im Gegensatz zu anderen osteuropäischen Staaten war die Nutzung der Atomenergie in Ungarn kein Gegenstand der bilateralen Beitrittsverhandlungen zwischen Budapest und der EU. Um die auf den Stand der 1960-er Jahre konstruierten Reaktoren auf annähernd zeitgemäßes und international anerkanntes Sicherheitsniveau aufzurüsten, sind seitdem große Summen in westliche Steuerungstechnologie investiert worden.

Die Endlagerung von radioaktiven Abfällen stellt Ungarn ebenfalls vor ein Problem. Bis 1996 bestanden Verträge mit der russsischen Föderation über die Rückgabe abgebrannter Brennelemente. Seit Auslauf dieses Vertrages sammelt Ungarn die abgebrannten Elemente selbst. Direkt nach der Entnahme aus dem Reaktor kommen diese für einen Zeitraum von fünf Jahren in ein Abklingbecken. Hier werden sie zur Kühlung im Wasser gelagert. Jeder Reaktorkomplex besitzt ein eigenes Abklingbecken. Nach dem Abklingbecken werden die Brennelemente in ein eigens vor Ort errichtetes Zwischenlager gebracht. Bis zum Jahr 2040 ist geplant, für diese Brennstäbe ein endgültiges unterirdisches Lager in Ungarn zu errichten. Im Jänner 2005 wurde bereits ein Vorvertrag mit der russischen Atombehörde für Atommüll-Exporte von Paks nach Majak in Russland abgeschlossen. Die ungarische Regierung sucht aufgrund der AKW Laufzeitverlängerung in Ungarn, aber auch in Russland, nach Standorten eines Atommüll-Endlagers.

Ursprünglich war eine Betriebsdauer des AKW von 30 Jahren vorgesehen. Die Reaktoren müssten somit zwischen 2012 und 2017 abgeschaltet werden. Trotz eines ernsten Zwischenfalls in einem Lagerbecken für Krenbrennstoff im Jahr 2003, lässt die ungarische Regierung die Reaktoren 10 bis 20 Jahre länger am Netz.

Die WUA betont mit Nachdruck, dass die Informationspflicht, die im bilateralen Abkommen zwischen Ungarn und Österreich vereinbart wurde, von den verantwortlichen Stellen eingefordert und wenn notwendig auch ausgebaut wird. Eine ausreichende Informationspolitik zur Stärkung des Vertrauens und ein sicherer Anlagenbetrieb liegt im Interesse beider Seiten. Die Abkommen mit den Kernkraftwerksbetreibern müssen sicherstellen, dass auch Vorkommnisse mit sehr geringer Entrittswahrscheinlichkeit, und zugleich großen Auswirkungen auf Österreich, ausreichend kommuniziert und dokumentiert werden müssen. Die WUA hat sich aufgrund der mit dem Alter von technischen Anlagen exponentiell ansteigenden Risken gegen eine Betriebsverlängerung des AKWs eingesetzt.


 

Technische Spezifikationen und Sicherheitssysteme

Reaktoren

Die Reaktoren von Paks sind leichtwassergekühlt, leichtwassermoderiert und verwenden Urandioxid als Brennstoff. Die hexagonalen Brennelemente sind, wie bei diesem Reaktortyp üblich, etwa 2,5 m lang und bestehen aus 126 Brennstäben, die einen Außendurchmesser von 9 mm aufweisen. Die Hüllrohre bestehen aus Zirkaloy.

Brennstofftabletten besitzen in der Mitte eine Bohrung, die bei westlichen Reaktoren nicht besteht. Das Bohrloch in der Mitte der Brennstofftablette stellt eine Aussparung im kritischen Brennstofbereich dar. Diese soll Überhitzung vorbeugen und gleichzeitig ein Reservoir zur Aufnahme von durch die Kernspaltung freigesetzten Gasen bieten. Durch diese Maßnahme steigt der Druck innerhalb der Brennstäbe vergleichsweise geringer an, als bei vergleichbaren Stäben westlicher Technologie (mit Brennstofftabletten ohne jener Zentralbohrung).  

Die Kernreaktion wird beim WWER-440/213-Reaktor mit 37 Absorberstäben aus boriertem Stahl kontrolliert. Im Notfall können alle 37 Stäbe zur Schnellabschaltung verwendet werden – das Einfahren erfordert wenige Sekunden.

Primärkreis

Der Primärkreislauf besteht aus sechs unabhängigen Schleifen vom Reaktordruckgefäß zu den Dampferzeugern, getrieben von den Hauptkühlmittelpumpen und mit diversen Zusatzsystemen wie Druckhalter, Ventilen und Notkühleinspeisestutzen versehen. Das Wasser tritt mit 267° C in den Druckbehälter ein, wird mit Leitblechen an der Wandung nach unten geführt und durchströmt die aktive Zone von unten nach oben, wo es mit 297° C austritt und bei 123 bar als Heißwasser zum Dampferzeuger fließt. Dort gibt es die Nutzwärme an den Sekundärkreislauf ab, um wieder zum Reaktor zu gelangen.

Sekundärkreis

Arbeitet bei 223° C und 46 bar, sodass Dampf gebildet werden kann. Nach einer Wasserabscheidung (um die Turbinenschaufeln nicht zu erodieren) kommt der Heißdampf zur mehrstufigen Turbine im konventionellen Teil des Kraftwerks. Zwischen Hochdruck- und Niederdruckturbine besteht ein Zwischenüberhitzer. Nach den beiden fünfstufigen Niederdruckturbinen ist der Kondensator geschaltet, der den Dampf zur Flüssigkeit niederschlägt. Sekundärkühlmittelpumpen verbringen das Kondensat wieder zum Dampferzeuger.

Sicherheitssysteme

Für jeden Reaktor bestehen zwei Notkühlsysteme, die den Abriss einer Primärkreishauptleitung (Auslegungsstörfall, der mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 in 100.000 Reaktorbetriebsjahren vorkommt) überspeisen können. Beide Systeme pressen Wasser mit aufgelöstem Borsalz in den Kern, um die Kettenreaktion auf jeden Fall zu unterbinden und die Nachzerfallswärme abzuführen. Bor absorbiert stark die freien Neutronen, wodurch die Kernspaltung zum erliegen kommt. Als ein weiteres System besteht ein passiver Kühlkreis, der mit Schwerkraft Kühlwasser unter geringen Druck in die aktive Zone leiten kann, auch wenn keine elektrischen Systeme mehr zur Verfügung stehen.

Ein allumschließendes Containment besteht im KKW Paks nicht. Als alternative Ausführung wurde der Reaktor und die Primärkreislaufkomponenten (Dampferzeuger, Primärleitungen, Primärkreispumpen) mit einem Confinment aus Stahl- und Schwerbeton untergebracht (Vergleich: westliche Siedewassertechnologie).

Da im Falle eines Abrisses einer Primärleitung enorme Mengen von heißem Wasser freigesetzt werden und zu einem Dampfdruckanstieg im Confinment führt, existiert ein Druckabbausystem. Der Dampf wird durch zahlreiche große Wasserbecken geleitet, dabei kondensiert er. Die Becken sind in einem turmartigen hermetisch abgeschirmten Gebäude am Reaktorsaal angeordnet. Für weitere technische Informationen siehe auch Beschreibung des WWER-440/213 Typs.

Zwischenlager

Die Firma Alsthom (GB) errichtete bis 1997 ein sogenanntes trockenes Zwischenlager mit einer Kapazität von 15.000 Brennelementen, was für die gesamte Betriebsdauer aller vier Reaktoren ausreichend dimensioniert sein sollte.


 

Laufzeitverlängerung KKW Paks - UVP-Verfahren

Das KKW Paks ist das einzige Atomkraftwerk in Ungarn und produziert etwa 38 Prozent des in Ungarn verbrauchten Stroms. Trotz des ernsten Störfalls 2003 (INES 3) wurde von den Betreibern des KKW Paks ein Antrag auf Betriebszeitverlängerung gestellt und ein UVP-Verfahren eingeleitet. Die Betriebszeit aller Blöcke (1 - 4) soll um weitere 20 Jahre ausgedehnt werden. Darüber hinaus soll eine Leistungserhöhung um 8 % mittels Änderungen beim Brennstoff und den Kühlmittelkreisläufen erreicht werden. Da Auswirkungen durch die Betriebszeitverlängerung und Leistungserhöhung auf Österreich nicht auszuschließen sind, beteiligte sich Österreich am grenzüberschreitenden UVP-Verfahren, gemäß Artikel 3 der ESPOO-Konvention beziehungsweise gemäß Artikel 7 der EU-UVP-Richtlinie 85/337/EWG in der Fassung von 97/11/EG. Die Wiener Umweltanwaltschaft nimmt als Atomschutzbeauftragte des Landes Wien an der grenzüberschreitenden UVP teil und vertritt die Interessen Wiens.

Besonders kritisch sieht die Wiener Umweltanwaltschaft, dass den Alterungsprozessen und den damit verbundenen Materialveränderungen zu wenig Bedeutung beigemessen wird. In diesem Zusammenhang werden zwar positive Effekte durch die Leistungserhöhung seitens des Betreibers erwartet, ob sich diese einstellen ist allerdings auf Grund der Komplexität der Zusammenhänge unklar. Ein zweiter wesentlicher Kritikpunkt ist, dass die Lebenszeitverlängerung für ein KKW ohne Containment beantragt wurde.

Die Wiener Umweltanwaltschaft hat im Rahmen des UVP-Verfahrens und der dazu initiierten öffentlichen Erörterung am 06. Juni 2006 in Mattersburg gemeinsam mit den Vertretern der anderen Bundesländer, des Umweltministeriums, österreichischer Fachexperten und der interessierten Öffentlichkeit ihre Bedenken den Vertretern der ungarischen UVP-Behörde und den Vertretern der Kraftwerksbetreiber dargelegt.

Das Programm zur Leistungssteigerung für die vier Kraftwerksblöcke in Paks ist heute zur Hälfte umgesetzt. Die Arbeiten am Block 4 wurden im September 2006 beendet und jene am Block 1 im Juli 2007. Bis 2009 soll die Leistungserhöhung auch bei den Blöcken 2 und 3 abgeschlossen sein. Im Zuge der Leistungserhöhung wurden auch die durch den schweren Vorfall 2003 beschädigten Brennstäbe im Block 2 beseitigt. Die einzelnen Blöcke werden nach den Arbeiten je 500 MW bis 510 MW im Vergleich zu 467 MW vor der Erhöhung bereitstellen.

Aufgrund der hohen Erdölpreise und des Klimawandels wird in mehreren Ländern Europas über den Ausbau der Atomenergie diskutiert. Beispielsweise wurde in Finnland mit dem Bau eines neuen Kernkraftwerkes begonnen - dem ersten seit mehr als einem Jahrzehnt in Westeuropa. In der Slowakei scheint die „Fertigstellung" der letzten zwei Blöcke des umstrittenen AKWs Mochovce bereits beschlossene Sache zu sein.

Für die Wiener Umweltanwaltschaft ist die Ausweitung der Atomenergie als Konsequenz aus den hohen Erdölpreisen, aber auch als Konsequenz aus dem Klimawandel der absolut falsche Weg. Nur nachhaltige Energiegewinnung kann gewährleisten, dass nachfolgende Generationen die unüberschaubaren Folgekosten unserer heutigen (Kern-)energienutzung tragen müssen. Auch wenn heute wieder vermehrt versucht wird die Kernenergie als vermeintlich kostengünstigste und klimafreundliche Energieform darzustellen, so hinterlässt sie ein teures und gefährliches Erbe in Form von nuklearen Endlagerstätten und zerstörten, verseuchte Flächen durch die Brennstoffgewinnung. Diese und andere Fakten, ebenso wie Jahrzehnte an direkten und indirekten Subventionen für die Kernenergie - auch aus militärischen Gründen - werden gerne bei der Berechnung der Kosten der Kernenergie vernachlässigt und führen zu dem bekannten Zerrbild im Vergleich zu anderen tatsächlich nachhaltigen Energiequellen.


Verwendete Quellen und Links

 

TPL_WUA_ADDITIONAL_INFORMATION